Gedanken zum Monat

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gäste,

haben Sie ein Kreuz in Ihrer Wohnung? Im Gespräch sagte mir eine Frau unverhohlen: „Das Bild der Gottesmutter mit dem Jesuskind mag ich, aber nicht diese Kreuze, die man in den Kirchen immer wieder sieht.“ Zugegeben, es ist ein starkes Zeichen. In der frühen Kirche wurde der leidende Christus nicht abgebildet, sondern der, der am Kreuz den Tod besiegt hat.

Aber die drei österlichen Tage beginnen nicht mit der Sonne des Ostermorgens, sondern mit der Messe vom Letzten Abendmahl am Gründonnerstag. Sie gehen durch den Karfreitag hin zum Osterfest. Sie sind ein Weg, der Weg Jesu, in dem wir unsere eigenen Wege wiederfinden können. Das Bild auf dem Pfarrbriefmantel ist ganz realistisch: Wir stehen mit unserem Leben immer unter dem Kreuz. Aber es ist das Kreuz des Herrn, das uns umgibt. Auch meine Sorgen und Ängste sind von seinem Kreuz umfangen. Ich darf wissen: Er, der für mich gelitten hat, wird auch dann bei mir sein, wenn ich nicht mehr weiter weiß. Und weil wir unter seinem Kreuz stehen, sind wir auch von seinem Licht umgeben, und die Tür zum Leben steht für uns offen.

Leid und Glück, Tod und Leben gehören beide zu unserem Leben. Wir sind in diesem Leben nie ganz glücklich, immer fehlt etwas, aber wir sind auch nie ganz verloren. Denn seit Ostern ist das Vorzeichen unseres Lebens positiv. Seit Ostern ist die Hoffnung stärker als die Verzweiflung, seit Ostern können wir (mit den Worten eines Album-Titels Wolf Biermanns) „vor Hoffnung verrückt“ sein. Nehmen wir das ganz wörtlich: Lassen wir es zu, dass das Ostergeheimnis, das wir feiern, die grauen Maßstäbe des Alltags verrückt: Alles, was aus Liebe getan wird, ist nicht vergebens. Alles, was unsere Welt verdüstert – die sinnlosen Kriege, Hass, Gewalt und Not – wird nicht das letzte Wort haben. Nehmen Sie sich Zeit, das Bild des Kreuzes, das Sie in Ihrer Wohnung haben, anzuschauen. Fragen Sie nach den Spuren durchgehaltener Liebe in Ihrem eigenen Leben. Bringen Sie Ihre Sorgen, Fragen und Enttäuschungen, bringen Sie unsere immer wieder zurückfallende Welt zu dem, der da ist, mit uns leidet und lebt. Sprechen Sie zu ihm und lassen Sie sich sein Licht schenken. „Die Hoffnung kann lesen. Sie vermutet in den kleinen Vorzeichen das ganze Gelingen. Sie stellt nicht nur fest, was ist. Sie ist eine wundervolle untreue Buchhalterin, die die Bilanzen fälscht und einen guten Ausgang des Lebens behauptet, wo dieser noch nicht abzusehen ist. Sie ist vielleicht die stärkste der Tugenden, weil in ihr die Liebe wohnt, die nichts aufgibt, und der Glaube, der den Tag schon in der Morgenröte sieht.“ (Fulbert Steffensky)

In österlicher Hoffnung grüßt Sie, gemeinsam mit den Mitarbeitern,

Ihr Pfarrer Dr. Michael Höhle